Bezug: Sprachtipps: Übersetzen Sie nicht!
Ich hatte eine interessante Email-Diskussion mit zwei Lesern darüber, ob man in Bildern oder in seiner Muttersprache denkt, und wie sich dies auf den (Fremd-)Spracherwerb auswirkt. Das wiederum führt zur grundsätzlichen Frage, ob das Denken abhängig von der Sprache ist.
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Trotzdem bezweifle ich, daß wir ausschließlich in Bildern denken. Denn das kann - überspitzt formuliert - jeder Menschenaffe. Der sieht einen
Gegenstand (eine Banane) und kann ein entsprechendes Zeichen (Bild von einer Banane) erkennen - aber das war es auch schon.
Am aktivischen Teil, dem Zeichen, scheitert es. Und wir Menschen wären auch
bald wieder dort angelangt, würden wir ausschließlich in Bildern denken.
Ich behaupte nicht, dass wir ausschließlich in Bildern denken. Aber für viele konkrete Dinge des täglichen Lebens inkl. Personen ist das Abspeichern eines Bildes m.E. die einfachste und am häufigsten praktizierte Möglichkeit, um sich ein fremdes Wort zu merken. Für Abstraktes wie eternity habe ich hingegen kein Patentrezept.
Trotzdem behaupte ich, dass jeder Umweg über die Muttersprache eben ein Umweg ist. Deshalb halte ich viel vom Spracherwerb durch Immersion (Bitte Immersion in die Wiki-Suche eingeben, der Link funktioniert hier nicht).
Warum Immersion sich auf Kinder beschränken soll, verstehe ich allerdings nicht. Ich selbst habe als Erwachsener mehr und besser Englisch durch Immersion gelernt (d.h. Engländern und Amerikanern zugehört) als vorher in der Schule.
Und wie denken wir nun? Sicher oft in Bildern, aber natürlich auch sprachlich, z.B. während ich dies schreibe. Bloß: Wenn jemand unter die Dusche steigt, denkt er dann wirklich diesen Satz: "Ich steige jetzt unter die Dusche" oder "I'm gonna have a shower now"? Oder stellt er sich das bildich vor? Doch wohl nicht.
Auch im kulturellen Bereich denkt sich doch ein Musiker nicht: "Ich spiele jetzt die Tonfolge C-E-G. Er tut es einfach. Ich weiß nicht, was da passiert, aber es kann doch nicht von der jeweiligen Landessprache abhängen! Das hat mir indirekt auch ein Linguist bestätigt:
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Dazu kommt, daß Denken und damit auch Verstehen ja auch außersprachlich abläuft; beim Übersetzen muß ich das dann alles erstmal in Worte fassen und so formulieren, daß nicht nur mir klar wird, was ich verstanden habe, sondern anderen auch - auf jeden Fall schwerer und aufwendiger.
Ein Amerikaner denkt in vielen Bereichen sicher anders als ein Deutscher. Aber das liegt an seinem gesamten kulturellen Background. Wären Amerikaner heute wirklich anders, wenn gem. eines Sprachchauvi-Märchens Deutsch Amtssprache der USA geworden wäre? Ich denke, dies wäre nicht der Fall.
Fazit:
Das Denken formt die Sprache, nicht umgekehrt.
Dass eine Anglisierung unserer Sprache 'deutsches Denken' oder gar unsere gesamte Kultur zerstört, wie Sprachnörgler behaupten, halte ich für ein Gerücht.