Zu einem sprachlichen Thema, das zwar nur am Rande mit Denglisch zu tun hat, aber auf */ˈdɪːkæf/ und im SprachLog gerade wieder intensiv diskutiert wurde.
Zur Klarstellung: Ich halte die Gleichstellung von Frauen für absolut notwendig. In meiner Branche (IT) ist sie ganz selbstverständlich, in anderen leider noch nicht (ungleicher Lohn für gleiche Arbeit und sonstige Benachteiligungen). Und natürlich sind Frauen auch außerhalb der Berufswelt als völlig gleichberechtigte Menschen zu respektieren. Das ist im Wortsinn indiskutabel.
Aber:
1. Bedarf es dazu wirklich einer 100%-igen sprachlichen Gleichbehandlung?
Kleine, natürlich nicht repräsentative Umfrage im privaten / beruflichen Bereich unter elf (teils ehemals) berufstätigen Frauen zwischen 23 und 77 Jahren, :
"Fühlst du dich benachteiligt, wenn jemand pauschal von 'Kollegen' spricht?"
Sinngemäße Antworten (Anzahl):
a) "Nein. 'Kolleginnen und Kollegen' ist doch viel zu umständlich." (7)
b) "Ein bisschen stört es mich schon. Aber es gibt Wichtigeres." (3)
c) "Ja. 'Kollegen' ist die männliche Form; Frauen werden dadurch ausgeschlossen." (1)
Hmmm .... vielleicht kenne ich mehrheitlich die 'falschen' Frauen'? Bemerkenswert jedenfalls die sachlich richtige Feststellung: "Kollegen ist die männliche Form" - denn man / frau sieht es ihr grammatisch nicht an. Die Plural-Endung 'en' kommt auch bei Feminina vor, z.B. 'Frauen'. Und die Plural-Artikel sind in der ansonsten chaotischen dt. Sprache ebenfalls für alle Geschlechter gleich.
Warum also sollte der Plural 'Kollegen' nicht als generische Sammelbezeichung für beide biologische Geschlechter gelten? Die Befragte c) musste irgendwann mal einen gedanklichen Schritt zurück zum Singular gemacht haben, um anhand des Artikels 'der' festzustellen, dass ein Kollege grammatisch männlich ist und sie somit sprachlich benachteiligt sei. Lohnen sich solche Gedankengänge wirklich?
Gegenbeispiel: Ein Chef sagt zum gemischten Team: "Ihr seid doch Fachkräfte!". Ganz unbescheiden fühlt man(n) sich davon doch angesprochen, obwohl der Singular 'die Fachkraft' grammatisch eindeutig weiblich ist. Ich wage die Behauptung: Kein Mann stört sich daran.
Warum also die weit verbreitete Aversion gegen den generischen Plural (m.) bis hin zu kuriosen Wortkreationen wie 'Kätzinnen' (weil grammatisch weibliche 'Katzen' biologisch auch Kater einschließen können)? Ich kann es mir nur so erklären:
Es gibt Menschen, die sich immerzu durch irgendetwas bedroht oder benachteiligt fühlen. Denglisch-Gegner fühlen sich durch 1,5% Anglizismen in der dt. Sprache in ihrer nationalen Identität bedroht, und manche Frauen fühlen sich eben durch eine - bei näherem Hinsehen - grammatisch nicht genderneutrale Ausdrucksweise in ihrem Selbstwertgefühl bedroht.
Nun gibt es leider viele Frauen, die aufgrund sozialer Benachteiligung oder gar physischer Gewalt allen Grund haben, sich bedroht zu fühlen. Schlimm genug. Aber sollten sie nicht ihre gesamte Kraft gegen diese faktischen Nachteile richten, anstatt sich in sprachlichen Haarspalterein zu verzetteln?
Liebe (feministische) Frauen: Warum unterstellt ihr permamenent, dass ein Mann euch ausschließen will, wenn er von 'Kollegen' spricht? Nehmt doch einfach an, dass er euch ebenfalls meint. In der Mehrzahl der Fälle ist das nämlich so! So etwas nennt man 'positives Denken'. Was heißt "bloß mitgemeint"? Bei 'Personen' (gramm. weiblich) fühlen sich Männer doch auch mitgemeint.
Gegenbeispiel: Was nützt es euch, wenn ein ausgewiesener Sexist euch 'Kolleginnen' nennt, aber sein vollständiger Chauvi-Spruch lautet: "Kolleginnen, ihr seid doch nur schlecht ..."? (Ich erspare uns allen das letzte Wort).
Im Gegenteil, das ständige Herumreiten auf sprachlicher Repräsentiertheit kann durchaus kontraproduktiv sein. Ich betrachte alle Kolleginnen a priori als völlig gleichwertig mit männlichen Kollegen, s.o. Klarstellung. Aber wenn eine neue Kollegin mir als erstes klarmacht: "Sprich gefälligst von Progammiererinnen und Programmierern", sinkt sie zumindest vorübergehend leicht in meiner Achtung. Vielleicht liegt es am letzten Rest Macho in mir. Asche auf mein Haupt!
Oder nehmen wir den offiziellen FIFA-Titel "WM der Frauen 2011" bzw. "FIFA Women's World Cup 2011™"? Hier werden Frauen explizit genannt - und gerade dies verleiht dem Ganzen genau den Hauch von Exotik, dem doch eigentlich mit dieser WM der Garaus gemacht werden sollte (was m.E. auch gelungen ist).
2. Ist sprachliche Gleichstellung mit den vorhandenen Mitteln der dt. Sprache überhaupt möglich und praktikabel?
Es ist ja nicht so, dass es Männern durchweg am guten Willen fehlt, Frauen sprachlich mit einzubeziehen. Schriftlich ist es noch irgendwie machbar, wenn auch von 'Sprachschützer'-Seite kritisiert, z.B. 'KollegInnen'. Vor allem in der gesprochenen Sprache jedoch steht dem die deutsche Genuslandschaft entgegen, in welcher das grammatische Geschlecht nur zufällig auch dem biologischen entspricht - oder eben nicht. Insofern hat Susanne Flach in ihrem oben verlinkten Artikel völlig recht:
Zitat
Im Englischen fehlt kein femininierendes Suffix, sondern man hat den linguistischen Vorteil, dass Rollenbezeichnungen genderneutral interpretierbar sind. Denn Englisch hat ein Genussystem, das auf natürlichem Geschlecht, nicht auf grammatischem beruht.
Vielleicht mag ich auch deshalb die englische Sprache so. Außer 'he or she' erfordert die political correctness da keine sprachlichen Klimmzüge.
(P.S.: und nicht einmal diesen, s. folgende Beiträge)
Oder wie wäre es mit einem Utrum wie in NL oder skandinavischen Sprachen, das Femininum und Maskulinum grammatisch zusammenfasst, wenn ich es richtig verstanden habe?
Im Deutschen und vielen anderen Sprachen jedoch geht es aber ohne sprachliche Verrenkungen nicht. Die permanente Nennung der weiblichen plus der männlichen Pluralform widerspricht jeglicher Sprachökonomie, und die ist heutigen, hektischen Zeiten wichtiger denn je. Nicht umsonst sind die silbenmäßig fast durchweg kürzeren Anglizismen bei den meisten Deutschen so beliebt.
Gibt es andere Lösungen? In LinguistInnen-Blogs findet sich oft das Wort 'Studierende'. Hmmm ...
Etymologisch kommt 'Student(en)' doch wohl vom lateinischen 'studens' bzw. dem Plural 'studentes', das als Gerundium (Verbform) gar kein Genus hat. 'Studierende' ist nur die wörtliche, substantivierte Übersetzung von 'studentes'.
Nun gab es tatsächlich sehr lange nur männliche Hochschulabsolventen; in den Köpfen unserer Vorfahren zementierte sich die Vorstellung 'Studenten = Männer'. Aber können wir ebendiese Gleichsetzung nicht mental wieder über Bord werfen? Oder haben wir es nicht längst getan?
Im übrigen sind 'Studierende' - wenn überhaupt - eine akademische Insellösung. Konsequenterweise müsste es doch auch Backende, Managende, Brieftragende bzw. Postzustellende, Verkaufende usw. oder gar Beamtende und Politisierende geben. Wer meine Website kennt, weiß, dass Sprachwandel grundsätzlich etwas Normales, wenn nicht Positives ist. Aber sollen wir unsere Sprache zum Wohle des vordergründigen Anscheins geschlechtlicher Gleichbehandlung wirklich derart umkrempeln? Stellt sich hier nicht die Mia-Frage: "Sag mir wie weit wie weit wie weit wie weit willst du gehen"?
Fazit:
Die Gleichstellung von Mann und Frau findet in den Köpfen statt. Bei der 'Übersetzung' dieses Denkens in Sprache kommt es leider zu diversen Ungereimtheiten aufgrund der Unvollkommenheit der dt. Sprache. C'est la vie. Trotzdem sind Rollenbezeichnungen auch im Deutschen "genderneutral interpretierbar". Beide Seiten müssen es nur wollen.
P.S.: Habe dazu noch folgenden Link erhalten. Ich stimme dem Text nicht vollständig zu, aber gute Beispiele ("die Person, die Persönlichkeit, die Waise") und lohnende Denkanstöße enthält er m.E. durchaus.